Mit meiner Afrika-Reise erfülle ich mir nicht nur einen großen Traum, sondern viele kleine Träume, die ich lang wohl nicht zu träumen gewagt hätte. So war für mich klar, sollte ich jemals ostafrikanischen Boden betreten, würde ich mir einen langgehegten Wunsch auf jeden Fall erfüllen: Berggorillas in freier Wildbahn sehen. Dass dies keine günstige Angelegenheit werden würde, war mir von vornherein klar, aber da die Regenzeit vor der Tür stand, hatte ich das große Glück, eine Gorilla Permit für Anfang November zu bekommen, denn zu der Zeit ist das Gorilla-Trekking günstiger. Mit „günstig“ hat dieser Ausflug zwar prinzipiell eher wenig zu tun, aber das finanzielle Opfer war ich bereit zu bringen.
Gorilla-Aufregung 😀
Nach zwei wundervollen Wochen in Rwanda traten wir also die Rückreise nach Uganda an, wo uns am 5. November das große Ereignis erwartete. Am Nachmittag zuvor reisten wir in der Bwindi Lodge an, von wo unser Trekking losgehen sollte und wo wir uns erhofften, noch einen ruhigen, entspannten Abend zu verbringen. Allerdings machte uns das Wetter diesbezüglich einen Strich durch die Rechnung und der Himmel öffnete sich tosend. Zwar bekamen wir ein unheimliches Naturspektakel geboten, als sich die Blitze über dem Regenwald entluden, aber der Gedanke, bei dem Wetter in ein Zelt zu kriechen, erschien mir wenig einladend. Glücklicherweise hatte der Lodge-Betreiber Mitleid mit uns (und vor allem bei dem Wetter auch keine Lust, unser Zeltchen aufzubauen), sodass er uns für das gleiche Geld in einem gemütlichen Zweier-Zimmer schlafen ließ. Nach der ersten heißen Dusche seit langem (und sie war wirklich, wirklich heiß!) und einer recht kurzen Nacht, klingelte um halb 6 der Wecker, denn um 7 war die vereinbarte Abfahrtszeit zum Bwindi Nationalpark. Nach einem ausgiebigen Frühstück, um gestärkt für das stundenlange Wandern zu sein, und ein paar organisatorischen Hürden, die es zu meistern galt, ging es dann um kurz nach sieben auch endlich los und unsere Nervosität stieg stetig. Unser Fahrer Friday (den wir natürlich nur liebevoll „Freitag“ nannten) versuchte uns, einzureden, die Wanderung sei gar nicht schlimm und wir würden sie auf jeden Fall problemlos schaffen und wie toll dann am Ende die Begegnung mit den Tieren sei. Doch bevor es überhaupt dazu kam, erwartete uns ein weiteres einmaliges, traumhaftes Naturspektakel: wir fuhren geradewegs hinein in den dichten Nebel, der wie ein Schleier über dem Nationalpark hing. Sabrina und ich kamen aus dem Staunen nicht heraus, denn so etwas hatten wir beide vorher noch nie gesehen. Da Freitag der Meinung war, wir seien noch nicht unter Zeitdruck, hat er, wann immer uns danach war, für uns angehalten, sodass wir dieses einmalige Bild bestaunen (und fotografieren!) konnten. Nachdem wir kurz vorher den Film „Gorillas im Nebel“ geguckt hatten, haben wir in diesem Moment die Bedeutung des Filmtitels verstanden.
Danach ging es in rasanter Fahrt weiter, immer am steilen Abhang entlang, aber durch atemberaubende Natur, bis wir uns letztlich in eine lange Reihe von Autos am Gate des Nationalparks einreihten. Wie Freitag uns vorher schon versprochen hatte, kannte ihn tatsächlich jeder, er wurde mit Handschlag begrüßt und ohne unsere Ausweise vorzuzeigen (was alle anderen tun mussten), durften wir weiter. Vom Parkplatz aus zum Gruppentreffpunkt wartete bereits die erste Hürde auf uns und wir mussten eine gefühlte Ewigkeit (was vermutlich so 10 Minuten waren..) bergauf laufen. Ich war danach schon völlig außer Atem und kurzzeitig rutschte mir das Herz in die Hose, wie ich den Rest des Tages schaffen sollte. Aber als ich dann einige der anderen Teilnehmer gesehen habe, fasste ich wieder etwas Mut, denn von 16 bis 75 und von Profi-Wanderern bis absoluten Anfängern war alles dabei und ich habe mic spontan irgendwo dazwischen eingeordnet. Nach einer 15-minütigen Einweisung , bei der wir vor allem die goldene Regel gelernt haben „NEVER run from a gorilla“, wurden wir dann in Gruppen von jeweils 8 Leuten aufgeteilt, die zu den jeweils verschiedenen Gorilla-Familien wandern sollten. Freitag brachte uns zu unserem Guide Sarah und wir erfuhren, dass wir zur Familie „Mishaya“ wandern würden. Laut Sarah „the best group“ – 15 Gorillas mit einem Silberrücken und drei Kleinen. Sarah machte uns noch einmal bewusst, dass wir noch nicht wüssten, wo die Tiere sind, und dass demnach noch nicht abzuschätzen ist, ob es ein langer und schwieriger Hike werden würde, oder ob wir lang unterwegs sein würden.
Nachdem wir in Rwanda aber einen Iren getroffen hatten, der bereits mittags um 12 von seiner Tour zurück war, waren wir guter Dinge, dass die Wanderung schon nicht so schlimm werden würde. Ach, wie falsch wir doch lagen…
Gut gelaunt ging es also endlich los, zunächst noch einmal für 20 Minuten ins Auto, damit wir zum endgültigen Starting Point unserer Tour kommen. Dort wurden uns zunächst unsere Wanderstöcke ausgehändigt und von dort ging es dann endlich los. Und dieses Mal mussten wir wirklich eine Ewigkeit (okay, so 35 Minuten) steil bergauf marschieren. An diesem Punkt rutschte mir natürlich wieder das Herz in die Hose – was ist, wenn es ewig so weitergeht? Recht schnell wurde aber klar, dass Sabrina und ich weit im vorderen Welt mit wanderten, während der Rest der Gruppe ziemlich weit zurückfiel. Nach dem ersten Stück des Weges trafen wir dann Sarah wieder, die geschummelt hat und das erste Stück gefahren ist, in erster Linie aber nur, um einen älteren Herren zu begleiten, der die Wanderung nicht ganz unten anfangen sollte. (Wie der den Rest der Wanderung geschafft hat, ist mir im Übrigen immer noch nicht ganz klar!) Sarah nahm uns mit den Worten „You made it!“ freudig in Empfang und erklärte uns, dass es erstmal eine ganze Weile weiter bergauf gehen würde und wo unsere Gruppe sitzt, würde sie uns auch erst später verraten – nicht gerade ermutigend! Das nächste Stück wurde dann aber bedeutend leichter, da ich mit einer Australierin aus unserer Gruppe (wir waren zu acht, plus zwei Ranger) ins Gespräch kam, wodurch die Zeit verflog. Außerdem mussten wir die Zeit natürlich auch nutzen, um uns auf die beeindruckende Natur zu konzentrieren.
Ich würde gern schreiben, dass wir un erst einmal eine ganze Weile vor uns hinwanderten, denn im Nachhinein kommt es mir irgendwie fast so vor, aber es war eine wirklich schweißtreibende Angelegenheit, es ging auf unebensten Strecken nahezu immer nur bergauf, es wurde gefühlt steiler und steiler und doch kam ich relativ gut mit. Ich miss auch zugeben, dass ich froh war, nicht diejenige zu sein, die die Gruppe zurückhielt – dafür sorgte eine Britin, die stark mit der Höhe zu kämpfen hatte. Dennoch trieb Sarah uns dazu an, uns ein wenig zu beeilen, da wir nicht wussten, ob sich das Wetter halten würde. Da es die gesamte letzte Woche jeden Nachmittag angefangen hatte, zu regnen – nein, zu gießen! – bereitete mir das ganz schöne Sorgen, denn wenn ich diese Strecke im strömenden Regen hätte wandern müssen, hätte ich mich vermutlich irgendwann heulend auf den Boden gelegt und hätte aufgegeben. Das Schlimmste ist allerdings, dass ich das relativ zum Anfang der Wanderung dachte, als ich dachte, der Teil sei schon hart… Ich sollte aber schnell eines Besseren belehrt werden!
Nach etwa eineinhalb Stunden wurde es interessant, da wir auf komplett frische Elefantenspuren im Matsch stießen, laut unserer Guides kann es noch keine halbe Stunde her gewesen sein, dass das Tier dort durchmarschiert ist – super, und da sollten wir jetzt weiter laufen? Nach einer letzten Trinkpause wurde uns dann zugerufen, jetzt unbedingt unsere Wanderhandschuhe und langärmligen Klamotten anzuziehen, da wir nun in den dichteren Teil des Regenwaldes kommen sollten. Voller Vorfreude zogen wir uns also an, weil wir dachten, ab jetzt kann es ja nicht mehr allzu lang dauern, bis wir auf unsere Gruppe stoßen würden – wie falsch wir doch liegen sollten… Aber ab jetzt wurde es wirklich erst so richtig spannend: vorweg lief ein Guide, um uns mit seiner Machete überhaupt erst einen Weg freizuschlagen, da wir ansonsten nicht durch den Regenwald gekommen wären. Eine gute weitere Stunde ging es also durch dichtestes Geäst über Stock und Stein durch knietiefen Matsch, unter Ästen hindurch, über Steine hinweg und um Bäume herum, immer mit genauer Vorsicht, um nirgends hängenzubleiben, auszurutschen oder uns an Dornen zu verletzten. So langsam merkte ich auch, dass wir schon einen ganz schönen Gewaltmarsch hinter uns hatten, und auch meine Beine meldeten sich langsam ein wenig zu Wort. Aber tapfer ging es weiter, und nach wie vor war glücklicherweise nicht ich diejenige, die das Schlusslicht bildete.
Plötzlich stoppten wir, alle wurden leise und Sarah machte langsam Anstalten, uns zu erklären, wo unsere Gruppe sich befindet. Von hier sollten es nämlich nur noch zehn Minuten sein, bis wir auf unsere Gorillas stoßen würden. Wir hatten nämlich die Trekker gefunden, die Tag und Nacht die Tiere vor Wilderern bewachen und sie tagtäglich suchen. Dass die nächsten zehn Minuten allerdings die längsten zehn Minuten meines Lebens werden würden, war mir zu diesem Zeitpunkt leider auch noch nicht bewusst. Wir waren den Tieren zwar auf den Fersen, aber das sollte noch nichts heißen. Nachdem wir nun lange Zeit bergauf gewandert waren, mussten wir zunächst in ein Tal runter – nur wie, blieb irgendwie die Frage. Im steilen Winkel ging es jetzt ähnliche Matschabhänge wieder runter und ich war in diesem Momet unendlich dankbar für meinen Wanderstock, mit dem ich mir immer einen Weg ertasten konnte – was mich allerdings nicht davor bewahrt hat, zwei Mal einen Abhang auf dem Hintern herunterzurutschen. Richtig schön klischeehaft landedte ich das eine Mal auch direkt mit dem Hosenboden in Gorilla-Kacke (die ich leider auch immer noch nicht aus meiner Hose gewaschen bekommen habe!)… aber Moment mal… Gorilla-Kacke!? Jetzt konnte es also wirklich nicht mehr weit sein… dachten wir! Denn während wir lange bergab geklettert sind, hat sich unsere Gorilla-Familie dazu entschieden, wieder bergauf zu klettern, was bedeutete, dass wir ihnen hinterher mussten. An diesem Punkt war ich dann tatsächlich kurz davor, aufzugeben, oder zumindest anzufangen zu weinen – meine Beine zitterten ohne Ende und meine Kraft war auch langsam am Ende (aber trotzdem gehörte ich noch zum Kopf der Gruppe!). Jetzt stand mir aber tatsächlich der schlimmste Teil bevor, denn ähnliche Abhänge, die ich eben runter musste, musste ich jetzt wieder rauf. Nahezu im 90 Grad-Winkel versuchten wir also, „Wege“ zu erklimmern, die nur noch aus Matsch bestanden, sodass kein bisschen Halt vorhanden war, außer hin und wieder auf einer morschen Baumwurzel. Ohne Rücksicht auf Verluste oder auf die Sauberkeit meiner Kleidung, bin ich die Abhänge auf allen Vieren hochgekrochen, dabei immer das Ziel vor Augen: Gleich siehst du Gorillas! Nachdem wir alle wieder oben angekommen waren, stoppte die gesamte Gruppe, eigentlich nur, um nach Luft zu Schnappen. Als wir dann aber ein Knacken über uns vernahmen, blickte ich hoch und erhaschte den ersten Blick auf ein Gorilla-Weibchen. Die Gruppe befand sich DIREKT über uns auf den Bäumen, zog aber immer noch weiter bergauf. Wir also (und ich auch weiterhin auf allen Vieren!) hinterher, wobei wir immer wieder Blicke auf sie erhaschten, was ich schon unglaublich aufregend fand. Vor allem, weil ein Weibchen direkt 1,5 Meter auf einem Ast neben mir lang hüpfte und ein weiteres Weibchen offenbar nicht allzu begeistert von unserer Anwesenheit war,die Zähne fletschte und uns anschrie.
Glücklicherweise war unser Guide der Gorilla-Sprache mächtig und beruhigte das Weibchen, sodass sie kehrtmachte und wieder zu ihrer Gruppe ging. Nach weiteren 10 Minuten gelangen wir – nur wenige Meter hinter den Tieren – auf eine Lichtung, wo sie sich (und wir deshalb auch) niederließen. Zum einen tat uns die Pause ganz gut und zum anderen war es jetzt wirklich so weit, wir konnten Gorillas aus nächster Nähe beobachten: die Kleinen tummelten sich auf dem Boden, eines der Weibchen knabberte an einem Baum und der Silberrücken beobachtete das geschäftige Treiben. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, und alle Anstrengungen waren vergessen.
Nach einer Weile auf der Lichtung zog es den Silberrücken – und damit den Rest der Gruppe – und natürlich auch uns weiter. Auf diesem letzten Stück blieb uns aber immerhin ein weiterer Aufstieg erspart und wir konnten den Gorillas gemächlich in einigem Abstand folgen, bis unser Silberrücken sich gemütlich auf die Erde plumpsen ließ, um eine Essenspause einzulegen und ich hatte das große Glück, nur wenige Meter neben ihm zu stehen und ihn dabei zu beobachten. Allerdings wusste ich gar nicht so recht, wo genau ich zuerst hinschauen sollte, da auf einen Baum zu meiner rechten gerade ein paar Weibchen und die Jungen herumkletterten, das kleinste Baby ganz eng an seine Mami gedrückt und die etwas Älteren turnen schon ganz allein von Ast zu Ast – und unserer gesamten Wandergruppe stand das Staunen und das Lachen ins Gesicht geschrieben.
Bei einem Versuch, noch einmal ein kleines Stück dichter zu kommen, hat es mich ein weiteres Mal auf den Boden geworfen und ich war mittlerweile so fertig, dass ich kurz in Erwägung gezogen habe, einfach dort liegen zu bleiben, denn der Gedanke an den Rückweg war mittlerweile alles andere als verlockend.
Nach ungefähr 1,5 Stunden mit unseren neuen Freunden war es dann aber leider doch schon wieder so weit… (Man muss dazu sagen, dass das Gorilla-Trekking ganz streng von der Ugandan Wildlife Foundation kontrolliert wird und man deshalb nur sehr kurze Zeit bei den Tieren verbringen darf, um sie nicht zu stören.) Langsam aber sicher ging es einen ersten Teil des Weges zurück, wo sich alle vollkommen fertig, aber rundum zufrieden, auf den Boden setzte, um Mittagspause zu machen und um unsere Zertifikate in Empfang zu nehmen. Dabei gratulierte Sarah uns zu unserer Leistung und betonte einige male, dass die Gruppe in den letzten Tagen nicht so weit weg war wie heute und dass sie selbst nicht damit gerechnet hätte, dass unsere Wanderung so lang und beschwerlich werden würde und wir insgesamt 6-7 Kilometer mehr laufen mussten, als ursprünglich gedacht. Nach der kurzen Mittagspause und dem Gedankenaustausch in unserer Gruppe trieb Sarah uns dann aber auch zum Aufbruch an, da wir noch ca. 9 Kilometer zurückwandern mussten, was vor dem erwarteten Regen passieren sollte. So schnell, wie Sarah den Rückweg bestreiten wollte, war es aber bei niemandem mehr möglich und langsam, aber sicher ging es den ganzen Weg zurück, wobei wir alle merkten, dass wir unsere Grenzen fast erreicht hatten. Meine Beine zitterten bei jedem Schritt, aber der Gedanke an das gerade Erlebte und der Gedanke an ein kühles Bier trieb uns weiter voran und ich wäre Freitag am liebsten um den Hals gefallen, als er uns am Auto erwartete. Wir waren verdreckt (nicht zu vergessen, ich hatte immer noch Gorilla-Kacke an der Hose :D), verschwitzt, fix und fertig, konnten keinen Schritt mehr gehen, aber rundum zufrieden und glücklich. Und auch jetzt, drei Wochen später, schaue ich mir liebend gern die Bilder an und kann immer noch nicht glauben, was für ein aufregender und eindrucksvoller Tag hinter mir liegt.